Home Insights Blog Wann ist „fruchtig“ fruchtig genug? Kennzeichnung, Irreführung und Health Claims auf Produkten

Wann ist „fruchtig“ fruchtig genug? Kennzeichnung, Irreführung und Health Claims auf Produkten

Was muss denn nun in der Marmelade sein, damit sie „Extra Fruchtig“ heißen darf? Und wann ist ein Produkt „cholesterinarm“? Eine kurze Einführung in die Rechtslage in Deutschland.

Mit Schlagwörtern wie „extra fruchtig“ oder „proteinreich“ locken uns Produkte in jedem Discounterregal und suggerieren gesundheitliche Vorteile. Doch was muss wirklich drin sein und wer regelt das überhaupt?

Christian Wolfram
11. April 2022
Lebensmittelkommunikation

Die Konkurrenz um die Kennzeichnung

52% Fruchtanteil in einer Grütze klingt erst einmal gut. Das klingt nach vielen leckeren Beeren und Kirschen. Extra fruchtig eben. Aber wenn Sie wüssten, dass eine Grütze laut Gesetz ohnehin mindestens 50 Prozent Fruchtanteil enthalten muss? Dann klingen 52% eher nach Sparflamme. Das dachten sich auch die Mitbewerber des Grütze-Herstellers, sahen eine Irreführung des Verbrauchers und veranlassten prompt eine Unterlassungsklage. Die beklagte Firma sollte den Zusatz „extra fruchtig“ von der Verpackung streichen.

Mit diesen und ähnlichen Fällen beschäftigen sich Gerichte tagtäglich, denn das Lebensmittelrecht ist – gelinde gesagt – komplex. Und noch komplexer wird es dann, wenn Lebensmittelhersteller ihre Produkte bewerben und fleißig die Werbe-Trommel rühren. Grundsätzlich gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber im hart umkämpften Lebensmittelmarkt schläft die Konkurrenz nicht und im Zweifel lässt man es eben auf ein Gerichtsverfahren ankommen. Aber nicht nur die Mitbewerber, auch Verbraucher schauen den Herstellern inzwischen genau auf die Finger bzw. die Verpackung und nutzen Portale wie lebensmittelklarheit.de als Plattform.

Ehrlich währt am längsten

Eine naturgetreue Fruchtabbildung, obwohl das Produkt keine Frucht enthält?  Eine „Frische-Garantie“ bei einem Produkt, das knapp einen Monat haltbar ist? Oder ein idyllischer Fachwerk-Bauernhof auf einem Eierkarton aus industrieller Massenerzeugung? Alles Fälle, in denen Gerichte Irreführungen und Gesetzesverletzungen sahen. Wie überall in der Rechtsprechung kommt es natürlich immer auf den Einzelfall an und pauschale Aussagen sind schwer zu treffen. Fakt ist aber, dass eine einwandfreie Kennzeichnung und eine gewisse Sensibilität bei der Packungsgestaltung und in der Kommunikation immer wichtiger werden.

Glücklich, wer sich auf eine eindeutige Rechtslage beziehen kann – für viele Produkte gibt die Deutsche Lebensmittelbuchkommission (DLMBK) eindeutig vor, was in welcher Menge enthalten sein darf.

Gesundheit verkauft

Aber was ist mit Health Claims wie „cholesterinfrei“? Die EU wäre nicht die EU, wenn es nicht auch dafür Richtlinien geben würde: die EU-Verordnung Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Sperriger Name aber dennoch eine nützliche Verordnung, die (auch online unter http://ec.europa.eu/food/safety/labelling_nutrition/claims/register/public/?event=register.home) einen genauen Überblick darüber bietet, welche Aussagen erlaubt sind und welche nicht. Falls einmal Unsicherheiten bestehen, hilft die Liste gut weiter. Das gilt auch für die Kriterien der Food Standards Agency (FSA), die wertvolle Hinweise zu Aussagen wie „frisch“, „traditionell“ und „natürlich“ liefert.

Übrigens wurde der Grütze-Fall zugunsten des Herstellers entschieden: „Extra fruchtig“ könne nicht ausschließlich auf die Menge an verwendeten Früchten bezogen werden, sondern steht auch für einen besonders fruchtigen Geschmack bzw. die Verwendung von außergewöhnlich vielen ganzen Früchten.

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