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Werben mit Klimaneutralität – darf man das?

Darf man überhaupt noch mit Klimaneutralität werben? Und wenn ja, wie stellt man es dann richtig an? Diese Frage beschäftigt aktuell viele Unternehmen, da die beteiligten NGOs aggressiver werden und etliche Gerichtsentscheidungen für Verunsicherung sorgen.

Wie ist die Rechtslage? Und welche Kommunikationsstrategien empfehlen wir als Experten? 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am 5. Klimadialog kompakt von Engel&Zimmermann und fjol in Kooperation mit dem Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung haben eine Antwort auf diese Fragen erhalten. Das wichtigste hier in Kürze. Mehr Fragen? Kontaktieren Sie uns heute!

Frank Schroedter
Geschäftsführer und Gesellschafter
28. Februar 2023
Nachhaltigkeitskommunikation

Verbrauchertäuschung: Greenwashing anstatt ehrlicher Klimaschutz

Erst kürzlich sorgte auch die Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe für neuen Wirbel Verbrauchertäuschung durch angeblich „klimaneutrale Produkte“: Deutsche Umwelthilfe … | Presseportal. Dort hieß es: „Die umfassende Auswertung der Klima-Versprechen großer Konzerne zeigt erneut, wie gerade die Automobil- und Mineralölkonzerne Greenwashing anstatt ehrlichem Klimaschutz betreiben. Diese Verbrauchertäuschung mit falschen Klima-Versprechen schadet dem Klima gleich mehrfach: Durch die Unterlassung von echtem Klimaschutz und durch die Verführung der Menschen, klimaschädliche Produkte als vermeintlich „klimaneutral“ zu kaufen und sich dabei gut zu fühlen.“

Und weiter: „Wir fordern Justizminister Marco Buschmann und Umweltministerin Steffi Lemke auf, sich nachdrücklich auf EU-Ebene für ein Verbot der Bewerbung mit falschen Klimaneutralitäts-Versprechen einzusetzen.“

Auslöser für den Ruf nach einem Nutzungsverbot des Begriffes war augenscheinlich der Report von Carbon Market Watch – for fair and effective climate action und dem New Climate Institute, die den Corporate Climate Responsibility Monitor 2023 | NewClimate Institute publizierten.

Die grundsätzliche Frage, ob man den Begriff klimaneutral im Zusammenhang mit dem eigenen Unternehmen, einem Standort oder einem Produkt werblich verwenden darf, ist einfach zu beantworten: Ja, man darf.

Verschiedene Urteile zu klimaneutralen Produkten

Laut Juristen wie Dr. Oliver Stegmann (ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU, Hamburg) bewegt man sich auf dünnem Eis. Eine klare Definition für Klimaneutralität gibt es bislang nicht. Stattdessen existieren schon mehrere Urteile, die sich mit der werblichen Auslobung des Begriffes auseinandersetzen.

  • Irreführung durch die Verwendung eines Logos mit dem Begriff „klimaneutral“ bei der Werbung für ökologische Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel: OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 10.11.2022 – 6 U 104/22
  • Klimaneutraler Müllbeutel: LG Kiel, Urt. v. 02.07.2021 – 14 HKO 99/20. Hier kassierte die nächste Instanz die Entscheidung: OLG Schleswig, Urt. v. 30.06.2022 – 6 U 46/21
  • Klimaneutrales Premium-Heizöl: LG Konstanz, Urt. v. 19.11.2021 – 7 O 6/21 KfH
  • Tiefkühlkroketten: „100% KLIMA neutral“ (LG Frankfurt, Urt. v. 31.05.2016 – 3-6 O 40/15)
  • Geflügelhersteller: „klimaneutrale Geflügel-Spezialitäten“ (LG Oldenburg, Urt. v. 16.12.2021 – 15 O 1469/21)
  • Marmelade: „klimaneutrales Produkt“ (LG Mönchengladbach, Urt. v. 25.02.2022 – 8 O 17/21

 

Laut Stegmann sind diese Urteile Einzelfallbetrachtungen. Ungeklärt bleibe, wie beispielsweise die „Aufklärungspflicht“ zu interpretieren sei und wie detailliert die anzugebenden Informationen zur Klimaneutralität tatsächlich sein müssten. Ob der QR-Code auf der Verpackung oder der Verweis auf weiterführende Informationen auf der jeweiligen Website per Sternchen auf der Verpackung ausreichend sei, könne von Fall zu Fall unterschiedlich gewertet werden.

 

Stegmann rechnet damit, dass es noch rund drei bis fünf Jahre dauert, bis der Bundesgerichtshof zum Komplex Klimaneutralität möglicherweise ein Urteil spricht. Er rät Unternehmen bis dahin:

  • nur tatsächlich zutreffende und nachweisbare Aussagen zu Klimaneutralität treffen
  • pauschale Werbung mit „allgemeiner“ Klimaneutralität zu vermeiden
  • stattdessen klarzustellen, dass klimaneutral nicht emissionsfrei bedeute
  • Begriffe wie „klimaneutral durch Kompensation“ zu verwenden

Klimaneutralität aus Kommunikationssicht

In einem Blogbeitrag haben wir bereits die Auslobung mit „klimapositives Produkt“ kritisiert und grundsätzliche Tücken der Kommunikation von Klimaneutralität beschrieben. Die Do´s and Dont´s (siehe unten) sind eine grobe Leitlinie.

Aus kommunikativer Sicht ist der Begriff klimaneutral alles andere als „tot“. Denn er ist politisch gesetzt, wird global, national und regional weiterhin genutzt. Auch die Kompensation (mittels Dienstleistern) wird weiter existieren – auch wenn sie gerade in der Schusslinie steht. Der Begriff Klimaneutralität wurde in der Vergangenheit aus unserer Sicht nicht präzise genug verwendet bzw. erläutert. Dort haben viele Unternehmen aus unserer Sicht Nachholbedarf.

Inhaltich raten wir Unternehmen die Eigenleistung und eigene (Minimierungs-)Projekte nach vorne zu stellen und darauf PR-Kampagnen aufzubauen. Wir raten ebenfalls die Informationen zielgruppengerecht aufzubereiten und Landingpages zu nutzen. Voraussetzung für das Vermeiden von Greenwashing-Vorwürfen bleiben die Richtigkeit der Berechnungen und der kommunizierten Informationen, das Benennen von Zielen und das Einbinden von passenden Dritten bzw. Projektpartnern.

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