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Von Mea Culpa zu Resilienz – 20 Jahre Krisenkommunikation

In den letzten 20 Jahren ist das unternehmerische Umfeld deutlich herausfordernder geworden. Und der Rückblick zeigt: Die Herausforderungen angenommen hat auch die Kommunikation mit flankierender Begleitung in unternehmenskritischen Situationen.

Peter Jordan
06. Februar 2023
Krisenkommunikation
Unternehmenskommunikation

Krisenkommunikation – wer heute davon spricht, sieht sich häufig mit der Bemerkung konfrontiert, dass nun doch alles irgendwie Krise sei. Die Wahrnehmung von Krisen hat sich in den letzten 20 Jahren geändert und mit ihr auch die Herausforderungen an die Kommunikation. Die Art, angemessen zu antworten, hat sich dagegen kaum geändert.

Zwei in ihrer öffentlichen Wahrnehmung besonders kritische Ereignisse haben vor zwei Jahrzehnten gezeigt, was gute Kommunikationsbegleitung leisten kann. „Freispruch erste Klasse“ betitelte die Lebensmittelzeitung am 24.1.2003 den Beitrag über das gelungene Krisenmanagement von Coppenrath&Wiese. Im selben Jahre hat auch Humana einen schweren Krisenfall bewältigen müssen. Es ging um Babymilch, die in Israel zum Tod von Babys führte. Die klare und transparente Darstellung der Zusammenhänge und des entschlossenen Handelns waren die Eckpfeiler der erfolgreichen Krisenkommunikation damals.

Transparenz und Prävention

Diese Tugenden etablierten sich in der Folge dieser und anderer Krisen – zumindest bei den besser geführten Unternehmen. Proaktiv und selbstbewusst stand man zu dem, was nun mal passiert war – mit der Erwartungshaltung, als Gegenleistung Verständnis und Vergebung zu erfahren. Allerdings ist man bei dem einen oder anderen Fall etwas über das Ziel hinausgeschossen und hat Kunden erst auf Probleme aufmerksam gemacht – denn selbstverstärkende Effekte gab es ohne Social Media noch nicht so wie heute.

  • Learning: Grundlage jeder guten Krisen-PR ist der Respekt vor möglichen Krisenfolgen und der offene, aber nicht anbiedernde Dialog.
  • Wenn sich also Krisen erfolgreich kommunikativ begleiten lassen, warum sich dann nicht auch darauf vorbereiten? Krisenprävention wurde zu einer guten Idee für viele Unternehmen, die damit das Thema in einen Krisenordner „bannen“ konnten. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Gründen für kritische Berichterstattungen gab es kaum, auf die nötigen Simulationen und Schulungen meinte man zumeist verzichten zu können. Zum ersten Mal kamen dann neue Herausforderungen durch technologische Entwicklungen: Das Internet erhöhte nicht nur die Geschwindigkeit der Berichterstattung, sondern auch die nötige Reaktionszeit. Und das Netz vergisst nicht. Die Krise von gestern fällt einem umso mehr auf die Füße, wenn man nichts daraus gelernt hat.
  • Learning: Prävention ist ein guter erster Schritt. Aber der Krisen-Ordner im Schrank ersetzt nicht das Mindset und die Routine im Umgang mit der Krise.

Social Media änderte alles?

Social Media schien einmal das vermeintliche Ende professioneller Kommunikation einzuläuten. Vor etwa 15 Jahren sagte ein bekannter Blogger zu mir: „Euch PR-Berater wird es in 10 Jahren nicht mehr geben. Weil es keine Medien mehr gibt.“ Aber wie auch immer die Medien aussehen mögen, es wird immer den Bedarf an verlässlichen Informationen geben. Und damit auch der Bedarf der Information und des Dialoges in kritischen Situationen. Dennoch hat sich viel geändert: Alle sind nun Stakeholder mit eigenen Plattformen, die ständig Diskurse anzetteln. Unübersichtlichkeit und Aufgeregtheit prägen das kommunikative Grundrauschen.

Learning: Gute Krisen-PR passt sich seinen Zielgruppen und deren Kommunikationskanälen an, läuft aber nicht aufgebauschten Meinungen hinterher.

Die Zeit der Metakrisen

Die vielleicht größte Zäsur der letzten zwanzig Jahre ist, dass wir uns zumindest gefühlt nun mit einer Reihe von übergeordneten Krisen konfrontiert sehen. Angefangen von der Finanzkrise über die Corona-Pandemie bis zum Ukraine-Krieg. Hinzu kommt ein wirtschaftliches Umfeld, das deutlich höhere Herausforderungen an die meisten Unternehmen stellt. Die klassische Krise, hervorgerufen durch einen Unfall, einen Vorfall oder ein fehlerhaftes Produkt, tritt eher in den Hintergrund. Dazu haben Fortschritte in der unternehmerischen Steuerung beigetragen aber auch Standardisierungen wie etwa beim Produkt-Rückruf.

Unternehmen haben verstehen müssen, dass die erfolgreiche Bewältigung extern induzierter Krisen den Unterschied ausmachen kann. Und zu einem resilienten Unternehmen gehören professionelle

Kommunikationsfähigkeiten. Und diese Fähigkeiten sind auch gefragt beim Management, denn der Arbeitsalltag einer Führungskraft ist geprägt von „VUCA“ – Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity.

Learning: Die Kommunikations-Begleitung in der Krise ist kein Misstrauensvotum für die Führung des Unternehmens, sondern Sparringspartner für den Erfolg.

Eine moderne Krisenkommunikation

Was folgt aus der kurzen Geschichte der Krisenkommunikation? Der Kern bleibt, die ernsthafte Bewältigung einer kritischen Situation und deren offene Kommunikation. Keine der Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte hat etwas daran geändert – weder auf wirtschaftlicher noch auf medialer Ebene. Und auch nicht auf technologischer, wie etwa die zuletzt angestoßene Diskussion um Kommunikation und künstliche Intelligenz. So antwortet ChatGPT auf den Input einer Verbraucherkritik: „Wir verstehen Ihre Sorgen und nehmen Ihre Bedenken ernst.“ So weit sind wir schon lange.

  • Learning: Das neue Selbstverständnis von Krisen-Kommunikation ist ihre gewachsene Selbstverständlichkeit in Vorbereitung und Begleitung kritischer Situationen.
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